"Berliner Zeitung" vom 03.04.2001

Echt falsch

Gemälde zu kopieren ist keine Kunst, sagen die Brüder Posin - ihnen eine Seele zu geben, schon

Von Petra Ahne

Es  gibt ein  Wort, bei dem Michail Posin die Lippen zusammenkneift und die Augen hinter seiner Brille ein wenig verächtlich schauern lässt: Handwerk. " Wenn es Handwerk wäre, was wir hier machen, sähen unsere Bilder aus wie aus dem Computer." Ohne Seele. Seele ist en wichtiges Wort, wenn die Brüder Michail, Evgeni und Semjon Posin über ihre Arbeit reden. Die Arbeit der drei Russen st es, Bilder zu malen, die schon mal ein anderer gemalt hat. Im "Kunstsalon Posin" an der Wipperstraße in Neukölln hänge sied: Vincent van Goghs "Zwölf Sonnenblumen in einer Vase,". 2.100 Mark. Ein Stillleben von Paul Cezanne, 1.830 Mark. Raffaels " Madonna Terranova". 7.300 Mark.

Raffael ist teuer als van Gogh, weil die Posins für die Kopie eines alten Meisters viel länger brauchen als für einen  Impressionisten. Warum, das hat wiederum mit der Seele zu tun. "Wir müssen zu dem Künstler werden, dessen Bild wir malen, sagt Michail Posin. Das heißt nicht, den Ofen auszudrehen und Kerzen anzuzünden, wenn Rembrandt kopiert wird, oder sich ein Ohr abzuschneiden, wenn es um ein Van-Gogh-Bild geht. Aber es heißt, exakt die Technik des Meisters zu benutzen und in dem Tempo zu malen, in dem er vermutlich seinen Pinsel über die Leinwand geführt hat. Die Kopie eines Renaissance-Bildes dar viele Tage dauern, ein impressionistisches Gemälde mit seinen kurzen, wie flüchtig hingeworfenen Pinselstrichen muss in ein paar Stunden entstehen. Allerdings kann es lange dauern, bis der Kopist bereit ist, den Pinsel in die Hand zu nehmen. Die Kunstgeschichte und die Biografie des Künstlers muss er ohnehin kennen, außerdem wissen, ob das Vorbild auf Leinwand oder Holz gemalt ist und er muss den Duktus des Künstlers verstanden haben. Fälschen ist eine Kunst. Wochenlang habe er sich an Pissaro versucht, sagt Evgeni Posin, und es einfach nicht geschafft, den gleichen Effekt zu erzeugen, wie der Franzose am Ende des 19. Jahrhunderts. Je näher man an dessen Gemälde herantritt, desto mehr zerfallen sie in viele kleine Striche. "Als ich es endlich verstanden hatte, war ich in einem Tag fertig."

Die Arbeit inspiriere ihn, sagt Evgeni Posin, und darum sei es ein Traum gewesen, eine Galerie für Kopien zu eröffnen. Weil man von der Kunst nicht allzu gut leben kann, als russischer Maler in Berlin. Und die Posins, alle um die 50, sind gleich drei russische Maler in Berlin. Gemeinsam haben sie an der Kunsthochschule in St. Petersburg studiert, nacheinander haben sie Russland verlassen, vor über zehn Jahren. Weil sie damals, in den 80er-Jahren,  nicht frei arbeiten konnten, sagt Michael Posin.
Sei zwei Monaten gibt es den Kunstsalon Posin, im gleichen Bezirk, in dem der Meisterfälscher Konrad Kujau bis zu seinem  Tod vor einem Jahr seine Kopie-Galerie hatte. Es laufe besser als gedacht, sagt Michail Posin. Die meisten Kunden suchen sich eins der etwa 150 fertigen Bilder aus, die in der Galerie stehen. Dabei würden die Brüder jedes Bild liefern - vorausgesetzt, der Urheber ist vor mindestens 70 Jahren gestorben. Das ist eine der Regeln, die aus illegalem Fälschen erlaubtes Kopieren machen. Eine andere ist: Die Kopie muss einige Zentimeter größer oder kleiner sein als das Original. Die Signatur des Künstlers darf aufs Bild, hinten muss aber vermerkt sein, dass es sich um eine Kopie handelt. Am liebsten gehen die Posins ins Museum und malen vom Original ab. In der Gemäldegalerie kennt man sie schon.

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